Jagdgrund: Roman (German Edition) by Jäger Katrin

Jagdgrund: Roman (German Edition) by Jäger Katrin

Autor:Jäger, Katrin [Jäger, Katrin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-04-20T16:00:00+00:00


16. Kapitel

Paul Heselmann hatte von seiner Patentante ein Plastikterrarium zu seinem fünften Geburtstag geschenkt bekommen. Eigentlich hatte er lieber ein Taschenmesser haben wollen, doch dazu sei er noch zu klein, hatten ihm die Erwachsenen gesagt. Jetzt stand der kleine durchsichtige Kasten auf der Terrasse, und der Maikäfer, den Pauls Mutter extra für ihn gefangen hatte, saß auf einem Blatt und bewegte sich nicht. Wenn es wärmer wird, hatte ihm seine Mutter versprochen, würde er krabbeln. Jetzt war es warm. Doch der Maikäfer saß einfach nur da. Langweilig, fand Paul und überlegte, wie er das Tier dazu bringen könnte, sich ein bisschen zu bewegen. Er nahm den Kasten und trug ihn zum Wasserhahn hinter dem Haus. Nachdem das Terrarium aussah wie das Aquarium seiner Freundin Anni, strampelte der Käfer tatsächlich. Lustig sah das aus, fand Paul. Doch dann hörte sein kleiner Gefangener schon wieder auf, sich zu bewegen. Vielleicht war das mit dem Wasser doch keine so gute Idee, dachte Paul und trug den Kasten zu dem Beet hinter dem Carport. Er grub mit seinen Händen kleine Löcher in die schwarze Erde und warf sie klumpenweise in das Terrarium. Vielleicht könnte der schwimmende Käfer auf die Erde krabbeln, dachte er. Doch der Käfer rührte sich nicht. Er lag einfach in der braunen Matschepampe und bewegte sich kein bisschen. So wie der Mann, der in der Pfütze ertrunken ist, dachte Paul und stellte den Kasten hinter sein Spielhäuschen. Papa und Mama mussten ja nicht gleich sehen, was er angestellt hatte.

Mario hatte kein gutes Gefühl, als er sich von Viktoria verabschiedete. Zum einen lag das daran, dass seine Kollegin immer noch versuchte, ihm vorzumachen, es ginge ihr gut, obwohl sie aussah wie eine Fee nach einem Jahr Punktezählen bei den Weight Watchers, zum anderen lag es an Hagen. Der war nämlich dazugestoßen, als Mario gerade seinen letzten Bissen vom Schnitzel aß. Als der junge Polizeireporter den Kneipenraum betrat, wirkte Viktoria gleich viel wacher. Die beiden tauschten sich über den Goldeber aus, und Viktoria entschuldigte sich bei Hagen, dass sie ihm noch kein Geld überwiesen habe. Er schrieb ihr seine Bankverbindung auf einen Bierdeckel und tat so, als wäre es ihm völlig egal, ob er für seine Arbeit bezahlt wurde oder nicht. Er täte es ja schließlich auch, um von ihr zu lernen, sagte er. Schleimer, dachte Mario. Und sagte: »Ja, das kann sicher nicht schaden.«

Hagen überhörte diese kleine giftige Anspielung und konzentrierte sich auf sein Getränk und Viktoria. Mario blieb trotzdem noch. Erst als Viktoria wiederholt gähnte, machte Hagen Anstalten zu gehen. Mario schaute auf die Uhr und schlug vor, denselben Zug nach Münster zu nehmen. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht, dass der Jungreporter länger blieb als er – und zum Glück tat er das auch nicht. Die beiden Männer zahlten und verabschiedeten sich von Viktoria. Mario drehte sich noch einmal um, bevor die Tür nach draußen sich wieder schloss. Er fürchtete, dass der Windzug, der hereingeströmt war, seine Kollegin wegwehen würde. Doch die saß aufrecht und felsenfest da. Gerade so, als könne sie nichts umhauen.



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